Christina Lissmann - Das Herbarium des Heraklit
Die Fragmente von Heraklit sind einzigartige Dokumente der Philosophie des griechischen Philosophen. Sie gelten als schwierig und bedeutungsvoll. Die Formel panta rhei (griechisch ????? ???, "Alles fließt") ist ein auf den griechischen Philosophen Heraklit zurückgeführter, jedoch erst später geschaffener Aphorismus. Aber auch : "Das Wesen will verborgen sein." (B123) Der Baseler Gelehrte Ludwig Winterhalder versucht sich diesem Fragment so zu nähern: "..Die Physis wird dem Menschen nie so fügsam sein, dass sie ihr eigenes Wesen verlöre, welches so sehr dem Lichte sich zuneigt, wie es ins Dunkel zurückscheut. Diese Scheu des Wesens macht es dem Menschen möglich, sich Dingen zu nahen, die in sich selber gründen. Wenn die Dinge sich dem Menschen ganz hingeben würden, so verlören sie ihr eigenes Wesen; und auch der Mensch verlöre sein Wesen, nämlich die Dinge nach ihrem Wesen zu fragen, das ist wie in sich und aus sich selber seien, und die Dingezu wissen als nahe und ferne zumal."
Diese Auswahl der vielen Fragmente Heraklits scheinen noch simpler Natur zu sein, doch die meisten Erklärungen, die Wissenschaftler dem Werk Heraklits gegeben haben, sind hinzu getragene Deutungen und rein spekulative Mutmaßungen. Die Ausstellung "Das Herbarium des Heraklit" interpretiert die Welt des Philosophen visuell. Lissmann fingiert mit Ihren Arbeiten die Wiederentdeckung eines der berühmtesten Herbarien der Welt. So findet die Künstlerin einen neuerlichen Zugang zu dem sonst so hermetischen Werk Heraklits. "Die Arbeiten zeigen die kostbare Sammlung einzigartiger Blüten und seltener Gewächse, die Heraklit in einsamen Stunden zusammengestellt und durch besondere Konservierungs-Techniken der Nachwelt erhalten konnte" beteuert sie mit selbstironischem Augenzwinkern.
Wie auch in ihren Videoinstallationen geht es der Medienkünstlerin um subtile Irritationen der Wahrnehmung und einer Vorwegnahme einer Fehlinterpretation ihrer Arbeiten und hinterfragt damit pseudowissenschaftliche Texte zur Kunst. Sie führt den Interpreten auf Glatteis. Dennoch kann das vorgestellte Verfahren als "umgekehrte Hermeneutik" bezeichnet werden. Wo sonst Texte, Kunstwerke erklären, versucht die Ausstellung Texte visuell verständlich zu machen. Visuelle Erfahrungen werden somit intellektuellen Erkenntnissen gleichgesetzt und definieren Verstehen ganzheitlich neu. Lissmann arbeitet an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Kunst. Die in Chicago geborene Künstlerin Christina Lissmann studierte Kunst, Philosophie, Kunstgeschichte und Ethnologie und promovierte in Philosophie über "Der Traum bei Nietzsche."
Christina Lissmann lebt und arbeitet in Berlin.