Warum ich male?
Ich male seit ich denken kann, ich male was ich denken kann. Ich male, weil Malerei das freieste aller Medien ist. Ich kann in sekundenschnelle Realitäten erfinden, erzählen, die Welt auf den Kopf stellen oder Momente einfangen, deren gläserne Zartheit weder wiederholbar noch fotografierbar ist. Die Wahrheit ist mein Spielball, die Bildfläche meine Welt.
Wenn ich arbeite
Irgendwann habe ich angefangen, Bilder zu malen.
Kleine Bilder. Bilder auf dünnes Papier.
Meine Bilder sind immer subjektive Dokumentationen meines Lebens. Was ich sehe wird zum Bild, meine Bilder zu Installationen meines Alltags. Ich schaffe Bildräume, die wiederum Raum geben für Projektionen des Betrachters: Ist die Schlafende die geheimnisvolle Gespielin der Künstlerin oder die erschöpft sich ausruhende Fernmeldehandwerkerin?
Wenn ich male, dann oft im Atelier. Nur manchmal nehme ich meine Farben und wandere hinaus in die Landschaft meiner Wahlheimat Allgäu. Das sind dann heilige Bilder vom Daheim-Sein. In der Ruhe des Alleinseins genieße ich die kleinen, kaum merklichen Veränderungen genauso wie die großen der sich ablösenden Jahreszeiten. Ich werde nicht müde von der immer gleichen, mir so kostbaren Landschaft vor meiner Haustüre zu berichten.
In der Abgeschiedenheit meines Ateliers beschreibe ich die Menschen, die mir außerhalb auf meinen Wegen durch die Zeit begegnen. Flüchtige Bekanntschaften, oft nicht einmal das, nur vorbeihuschende Augenblicke können genau so wichtig sein wie die altvertrauten, sich oft wiederholenden Eindrücke einer langen, nahen Freundschaft.
Wenn ich male, male ich das einzelne Bild. Ich versuche die Besonderheiten der Menschen aus meinem Leben einzufangen und festzuhalten. Dabei ist mir jedes Detail wichtig. Oft jedoch enthält erst eine Bildreihe die gewünschte Erzählgenauigkeit: Beschreibungen einer Szenerie, eines Ereignisses, eines mir wichtigen Ablaufs oder einer Persönlichkeit sind mit einer Ansicht nicht zu erfassen. Also ändere ich auf meinen Bildern Perspektive, Nähe oder die Anzahl der beteiligten Personen, um mir so eine neutralere oder genauere Analyse des Geschehens zu ermöglichen. Dabei sind mir keine bekannten, offiziellen Ereignisse wichtig, sondern kleine, oft unbemerkte Schlüsselerlebnisse, Menschen im Alltag, aber auch in ihren ganz persönlichen Grenzsituationen.
Wenn ich male, räume ich für mich auf. Ich lasse Unwichtiges weg, manchmal nehme ich die Personen in meinen Bildern ganz aus dem tatsächlichen Erzählzusammenhang heraus, hinein in eine klare, einfarbige Umgebung, den Hintergrund. Platz zum Ausruhen. Es entstehen kleine, oft drei- oder mehrteiligen Serien.
Wenn ich arbeite, versuche ich so wenig wie möglich in das Geschehen einzugreifen. Ich lebe einfach mein Leben. Ich mache keine Skizzen, keine Photos, keine Videos etc., denn „meine“ Menschen sollen sich unbeobachtet und ungestört fühlen.
Ich nehme die Erinnerung mit und halte sie fest.
Irgendwann habe ich dann angefangen, auf starken Museumskarton zu malen. Immer noch Papier, denn es schien mir verwegen, für die Ewigkeit zu malen.
Die Gesamtheit eines Zeit- oder Lebensabschnittes wird in erst in der Hängung deutlich. Einzelereignisse und Beobachtungsserien reihen sich aneinander, überschneiden sich, bilden auf Wand oder Boden ein Mosaik kleiner Erlebnisse, wichtiger oder leiser Ereignisse - Bilder.
Nähe und Distanz, Lesbarkeit und vollständige Verschlüsselung schaffen einen Erlebnisraum, der dem meines tatsächlichen Lebens sehr nahe kommen könnte, wenn, ja wenn in der Wahrnehmung des Betrachters die Verzerrung meiner Erinnerung exakt aufzuheben wäre.
Es bleibt ein Spiel, ein Spiel mit der Wirklichkeit, immer neue Formationen vermeintlicher Realität, erhaschter Intimität und leise Poesie.
Wenn ich male, benutze ich Farben, Pigmente, Papier und Leinwand als Mittel um Bildräume zu erschaffen. Dabei ist erst einmal nur wichtig, eine in sich stimmige Palette von Farben zu besitzen (Öl, Acryl, Vinyl, Gouache) um den Inhalt - die Menschen meiner Erzählungen - wiederzugeben. Ist das Ereignis gemalt, werden die Figuren zu abstrakten Silhouetten, unwichtige Bildteile zu Farbflächen. Jetzt kommt das Weiß, das Nickeltitangelb, das spezielle Türkisblau auf den Bildträger – reiner Farbgenuss.
In meinen großformatigen Leinwandarbeiten spiele ich wohl doch ein wenig mit der Sehnsucht nach Beständigkeit.
Malerei ist für mich das freieste, modernste Medium: Ich bin unabhängiger von der Schwerkraft als die fragilste Installation; unabhängig von Ort und Zeit kann ich bestimmen, wer wie und wie lange in einer Situation verharren soll; mit wenigen Pinselstrichen kann ich verpacken und enthüllen, beliebig viele Fettkästchen in Ecken noch nie gesehener Architektur stellen und mein Atlas hat mehr Bilder als jemand je hängen wird.
Es sind nicht die Traditionen, die mich interessieren, es sind die unendlichen Möglichkeiten, die sich mir auf den verschiedenen Bildträgern eröffnen. Und die ich immer aufs Neue genieße.
Ganz eigentlich aber male ich gar nicht. Bilder sind das, was dabei herauskommt, wenn ich über die Dinge, die ich sehe, nachdenke.