Vom Charme des Alltäglichen
(zur Ausstellung "Mmm...Marlene" 2002 in der Galerie des Kronacher Kunstvereins)
Von Dr. Peter Müller
Katja Fischers Bilder wirken zunächst aus der Ferne angenehm und beruhigend in ihren mehr oder weniger starken Pastellfarben. Nähert man sich einem einzelnen der Gemälde, die zwischen vier auf vier Zentimetern und circa 150 auf 120 Zentimetern groß sind, dann tritt die Farbpalette hinter das Motiv und seine Platzierung auf der Fläche zurück. Die Bilder erstaunen und irritieren, denn sie erzählen kleine Geschichten aus dem Alltag. Aber sie erzählen diese Geschichten eben nicht vollständig. Sie zeigen Momentaufnahmen, einzeln oder in Bildsequenzen von zwei bis drei Bildern, aus einer weiterzuspinnenden Geschichte.
Katja Fischer erzählt diese Bildgeschichten bodenständiger Frauen und Männer realistisch, fast naturalistisch. Doch wird das naturalistische Element beim zweiten Hinsehen gebrochen durch eine versteckte und freche Ironie, die sich des Allzumenschlichen unseres wirklichen Lebens bedient, um in Momentaufnahmen dessen Blödheit, den "ganz normalen Wahnsinn" des echten Lebens bloßzustellen.
Kennzeichnendes Stilmittel ihres lebensvollen, lebenslustigen und die Banalität des Alltäglichen entlarvenden Schaffens ist es, die Motive nicht bildfüllend einzufügen, sondern nur Teile der Fläche zu nutzen - ein Rechteck des gesamten Rechtecks oder die untere diagonale Schnitthälfte. Der Rest des Bildes aber ist nicht etwa leer, sondern frei, er verlangt nach Ergänzung, nach einem Weitererzählung der Augenblicksaufnahme durch den Betrachter. Die Figuren sind großzügig ins Bild gesetzt und in mutige Formate eingebettet. Sie sind derb bukolisch, mit Witz und unverblümt sexuellem Touch ausgestattet. Das Leben und seine erotische Dimension, wobei die weibliche Dimension des Erotischen eine besondere Rolle spielt - wie zum Beispiel in einer weiblichen Venushügellandschaft, oder den vielen Facetten von "Mmm...Marlene" (Titel der Ausstellung) -, werden offen und "un-verschämt", wie es Professor Horst Sauerbruch von der Bayerischen Akademie der Bildenden Künste in München in seiner Einführung für seine Schülerin ausdrückte, vor Augen geführt. Nackerte mit riesigen Latschen an den Füßen, Frauen in der Blüte ihrer Zellulitis oder der Fülle ihrer Rettungsringe, Männer mit Bauch in Trainingshosen: Überall menschelt es in Katja Fischers humorvollen, aber auch nachdenklich stimmenden Bildgeschichten, deren Ende sich im Dialog - mit sich und dem Bild - erschließt.
Neben den raumbeherrschenden großformatigen Gemälden und den vielen kleinformatigen Bildern mit Küstenlandschaften, (teil-)kolorierten Skizzen, Bildsequenzen - wie einem Libellen-Triptychon, Mutter mit Kind während und nach dem Apfelessen - fallen die kleinen kolorierten Plastiken zunächst nicht auf. Doch gerade ihre Verstecktheit in der Weite des Raumes gibt ihrer schlichten Derbheit eine stete unaufdringliche Präsenz. So mutig frech und offen die Werke Katja Fischers in der realistischen Darstellung des Banalen sind, so charmant sind sie zugleich in dem, was sie nicht zeigen, nur andeuten, und den Rest der Phantasie des Betrachters überlassen.
Zur Vernisage der jungen Münchner Künstlerin, die am Sonntag 18 Uhr von Dr. Roland Raithel, dem Vorsitzenden des Kronacher Kunstvereins, eröffnet wurde, waren zahlreiche Künstler und Kunstfreunde erschienen, die sich von der Heiterkeit und lustvollen Offenheit der Werke sichtlich anstecken ließen. Eva Schuster von der Berufsfachschule für Musik Kronach sang mit ihrer schönen und für Musical- wie Jazzaufgaben ausbaufähigen Stimme, präzis begleitet von ihrem Kollegen Christian Strauß am Klavier, drei Jazz-Standards - "More than you know", "Come rain or come shine" und "God bless the child" - , die mit ihrem schlichten, dennoch energiegeladenen Charakter auf hervorragende Weise mit Licht, Farben und Stimmung der Bilder der Ausstellung harmonierten und dieser Ausstellungseröffnung ein besonderes Flair gaben.